Fünf Tage Spaß und Lernen in den Osterferien
2. Mai 2024Kultureller Vormittag für Hochheimer Grundschüler
23. Mai 2024Gespräche mit Zeit- beziehungsweise Zweitzeugen
Es gibt nur noch sehr wenige Menschen, die als Zeitzeugen über die Zeit des Nationalsozialismus berichten können, dennoch war es dem zehnten Jahrgang der Heinrich-von-Brentano-Schule noch möglich, sowohl mit der Zeitzeugin Frau Henriette Kretz als auch mit dem Zweitzeugen Marc Fachinger ins Gespräch zu kommen.
Im Zuge des Themenschwerpunkts „Nationalsozialismus“ im Fach Gesellschaftslehre hatten am 15.04.2024 die Schülerinnen und Schüler der 10a und b bereits die Möglichkeit, die Zeitzeugin Frau Henriette Kretz im Jakobskloster in Ockenheim bei Bingen treffen zu können (wir berichteten). Frau Kretz erzählte nicht nur von der schrecklichen Zeit, die sie während des Krieges als kleines jüdisches Mädchen erlebte, sondern auch von ihrer bis dahin sorglosen kurzen Kindheit, die sie als die schönste Zeit ihres Lebens bezeichnete. Mit neun Jahren verlor sie beide Elternteile und wurde Vollwaise.
Herr Fachinger, Referent für Berufliche Schulen im Bistum Limburg und zuständig für Zeitzeugenbegegnungen aus den Jahren 1939-1945, besuchte dann am 03.05.2024 unsere Schule als „Zweitzeuge“. Vor 120 Schülerinnen und Schülern berichtete er über die Kindheit und Jugend von Frau Krystyna Kozak, die er persönlich 2002 bei ihrem ersten Deutschlandbesuch kennengelernt hatte. 2008 war Frau Kozak an die Hochtaunusschule in Oberursel gekommen und hatte dort als Zeitzeugin von dem Grauen berichtet, welches ihr im „Dritten Reich“ widerfahren war. Ihr Vortrag war mit ihrem Einverständnis aufgezeichnet worden; Somit durfte Herr Fachinger ihre Erlebnisse transkribieren und veröffentlichen*. Frau Kozak wünschte sich, dass ihr trauriges Schicksal auch nach ihrem Ableben der jungen Generation erhalten bleibt.
Frau Kozak war damals nach ihren eigenen Angaben „ein ganz gewöhnliches polnisches Mädchen“, dessen Leben sich über Nacht mit dem Einmarsch der Deutschen in ihrer Heimatstadt Grudziadz (Graudenz) elementar veränderte. Von nun an wurden die Polen zu Feinden der Deutschen erklärt, obwohl sie jahrzehntelang in Graudenz friedlich miteinander gelebt hatten. Frau Kozaks Mutter wurde zur Augenzeugin einer willkürlichen Erschießung von zehn polnischen Männern auf dem Marktplatz ihrer Heimatstadt. Neben den alltäglichen Entbehrungen und Demütigungen war die Internierung der Familie Kozak in das Arbeitslager Potulice im Sommer 1944 die schlimmste Erfahrung. Der Grund der Inhaftierung war, dass Herr Kozak aus ethischen und patriotischen Gründen die polnische Identität von sich und seiner Familie nicht aufgeben wollte. Er weigerte sich, die ihm von den Nazis vorgelegte „Volksliste“ zu unterschreiben. Dadurch erlebte Familie Kozak im Arbeitslager sieben Monate lang Schläge, Hunger, Unterdrückung und Todesangst.
Kein Geschichtsunterricht vermag es, den Schülerinnen und Schüler in dieser authentischen Weise die Nöte und Qualen dieser Menschen aufzuzeigen, die in jener „Eisenzeit“ lebten. Durch die emotionalen und schrecklichen Schilderungen wird den Schülerinnen und Schülern das Erzählte im Gedächtnis bleiben. Diese Begegnungen im Sinne von „Aufklären durch Erzählen“ sollen den Wert von Frieden und Demokratie den jungen Menschen als wichtigstes Gut begreifbar machen.
*“Ein ganz gewöhnliches polnisches Mädchen“ BoD – Books on Demand; 1. Edition (10. Juni 2020)