Warum heißen wir Heinrich-von-Brentano-Schule und wer war das überhaupt?
von Volker Jesinghausen, Schulleiter 2000 – 2011 (verfasst 2010, aktualisiert 2020)

Als 1972 die Schulpforten an der Massenheimer Landstraße öffneten, zogen die „alten“ Hauptschulkassen der Weinbergschule – eine Grund- und Hauptschule – in das neue Gebäude. Gleichzeitig wurden neue Schülerinnen und Schüler in den 5. Klassen aufgenommen. Dort ging es nach dem damaligen Prinzip der Gesamtschulen in der „Förderstufe“ bis einschließlich der Klasse 6. Während dieser Zeit gab es noch keinen besonderen Namen, es war die „Gesamtschule Hochheim“.

Erst als die schulischen Gremien ab der Klasse 7 für die Form der Integrierten Gesamtschule votierten, hatte die Schule Ihren eigenen Namen „Integrierte Gesamtschule Hochheim“.

Die seit 1981 im gleichen Haus befindliche aber eigenständig geführte Gymnasiale Oberstufe (GOS) hieß demnach „Gymnasiale Oberstufe Hochheim“.

Dem Schulträger aller Schulen im Main-Taunus-Kreis waren die vielen stadtbezogenen Namen – in dieser Zeit (Schülerschwemme) wurden überall im Land in großer
Anzahl neue Schulbauten nötig – nicht recht, und so initiierte er für seine Schulen eine Namensvergabe, meistens gebunden an historische Persönlichkeiten.

Für Hochheim wurde auf politischer Entscheidungsebene für die GOS der Name des SPD-Politikers Carlo Schmid ausgesucht. Die schulischen Gremien der GOS waren damit sehr einverstanden. Gänzlich anders verlief die Namensgebung an unserer Gesamtschule.

Der aus schulischer Sicht niemals angedachte Name „Heinrich von Brentano“ bekam seine Bedeutung, weil er in seiner Jugend, des Öfteren in Hochheim, insbesondere bei der Familie Michel (Domdechant Werner’sches Weingut) weilte.

Der erste Außenminister der Bundesrepublik Deutschland, galt seinerzeit als „adenauerhörig“ und seine CDU-Mitgliedschaft rückte ihn wirklich nicht in die geistige Nähe
einer Integrierten Gesamtschule. Nichtsdestotrotz – die politischen Mehrheiten der Kreis- und Stadtgremien lagen zu dieser Zeit bei der CDU – wurde dieser Name, ohne die schulischen Gremien mit einzubeziehen, gewählt.

Seitdem heißt nun die Hochheimer Integrierte Gesamtschule als einzige Schule bundes- und damit wohl auch weltweit „Heinrich-von-Brentano-Schule“.

Aus meiner Sicht haben sich das anfängliche Nichtverständnis und das Missfallen der Schulgemeinde gelegt, man hat sich nicht nur damit abgefunden, sondern sucht jetzt auch mögliche Anknüpfungspunkte und hat sich auf einen „Normalisierungskurs“ begeben, der 2018 schließlich in der Enthüllung und Anbringung einer Erinnerungstafel an den ersten Außenminister der BRD mündete.

Aber, wer war denn nun, dieser Heinrich von Brentano eigentlich?

Sein voller Namenseintrag lautet
Heinrich Joseph Maximilian Johann Maria von Brentano di Tremezzo
Rechtsanwalt, Bundesminister, Dr. jur.
* 20. Apr. 1904 Offenbach/Main,
† 14. Nov. 1964 Darmstadt,

Viele Vornamen kennt man ja bei vielen höhergestellten Familien – aber dann kommt  Brentano, da denken viele an Clemens Brentano, Achim und Bettine von Arnim und damit an den Goethe’schen Freundeskreis der Romantiker im Rheingau und in Frankfurt.

„Brentano“ und erst recht „di Tremezzo“ klingt aber auch sehr italienisch, Heinrich dann zwar gar nicht, aber genau das macht es wohl nur interessanter, sich zu informieren. Leider sind nur ganz wenige Bilder verfügbar, natürlich auch nur in schwarz-weiß und meistens in „offizieller“ Pose.

Doch es gibt eine Fülle von Textmaterial über ihn und seine Familie, so dass es ein Ziel sein sollte,  Schülerinnen und Schüler mit dem Namenspatron ihrer Schule vertraut zu machen, schulische Projekte über Heinrich von Brentano, über seine persönlichen Wurzeln, über das familiäre Wirken in der Region oder über die wirtschaftliche, politische und künstlerische Einordnung der Familie oder der Person in die deutsche und europäische Geschichte, durchzuführen.

Einen sehr guten Einstieg in die familiäre Konstellation der Brentanos (erst kurz vor dem Tod des Großvaters nahm dieser 1883 den Namenszusatz di Tremezzo an.
Seine Söhne, darunter Otto (Heinrichs Vater) ließen sich in Rom den italienischen Adel bestätigen, der 1889 auch durch das Großherzogtum Hessen anerkannt wurde) bietet das Buch von Bernd Heidenreich und Frank-Lothar Kroll (Hrsg.):

  • Geist und Macht – Die Brentanos

Wiesbaden 2002, Landeszentrale für politische Bildung

und in das politische Umfeld führen uns Roland Koch und Frank-Lothar Kroll (Hrsg.) mit dem Titel:

  • Heinrich von Brentano – ein Wegbereiter der europäischen Integration

Oldenbourg Verlag.

Beide Bücher können selbstverständlich in der Schulbibliothek ausgeliehen werden.

Online und ohne „Google“ bemühen zu müssen, möchte ich Ihnen per Link folgende empfehlenswerte und weiterführende Literatur nahelegen:

Mit der Namensgebung, aber auch mit den, vielleicht erst später richtig gewürdigten, politischen Aktivitäten des Heinrich von Brentano insgesamt, befasst sich ein Aufsatz unseres Kollegen Winfried Ossner, den er 1997 für die 25-Jahre-Jubiläumsbroschüre der Integrierten Gesamtschule verfasst hat:

„Neues über Heinrich von Brentano“ – Aktualisierte Betrachtungen zum Schulnamen.

Weitere vertiefende Einblicke gibt es natürlich in Wikipedia:

http://de.wikipedia.org/wiki/Heinrich_von_Brentano.

In der „Zeit“ vom 09. April 1953 (15/1953) findet sich ein sehr guter Lebensabriss von Max von Brück, der Brentano als Vorreiter eines starken eigenständigen Europas sah (leider mit einigen Textaussetzern)

Den meiner Ansicht nach wohl besten Überblick über seine Biografie und sein Wirken bekommt man bei der Konrad-Adenauer-Stiftung, in einem Aufsatz von Frau Dr. Kordula Kühlem:

Konrad-Adenauer-Stiftung – Geschichte der CDU – Heinrich von Brentano di Tremezzo (kas.de)